Lymphdrainage

Komplexe physikalische Entstauungstherapie

Die Grundidee und Wirkungsweise
Das Lymphgefäßsystem besteht – anders als das Blutgefäßsystem – nur aus einem Halbkreislauf. Es beginnt mit sehr kleinen Lymphgefäßen, den sog. Lymphkapillaren, die u. a. überflüssiges Gewebswasser und darin gelöste Eiweiße (sog. „lymphpflichtigen Lasten“) aus den Räumen zwischen unseren Körperzellen gewissermaßen „aufsaugen“. Tatsächlich ist der alte deutsche Name für Lymphgefäß auch „Saugader“. Lymphgefäße besitzen Klappen und eine wandständige Muskulatur mit deren Hilfe der Gefäßinhalt von einem Klappensegment zum nächsten aktiv weitergepumpt wird. Die Lymphgefäße münden letztendlich in Venen, also in das Blutgefäßsystem. Zuvor durchlaufen sie aber noch eine wichtige Filterstation: die Lymphknoten. Müssen nun, z. B. im Rahmen einer Brustkrebsoperation, Lymphknoten entfernt werden, kann es zum Rückstau der Lymphe bis in den Zwischenzellraum kommen. Es entsteht ein Lymph-Ödem, in unserem Beispiel ein sekundäres Armlymphödem. Bei unsachgemäßer oder ausbleibender Behandlung kommt es zwangsläufig zur Verschlechterung des Zustandes, was sich in einer zunehmenden Vergrößerung und Verhärtung der gestauten Extremität manifestiert. Mit Hilfe der KPE versucht man das Ödem so gut als möglich zu beseitigen und die Lymphgefäße in ihrer Arbeit zu unterstützen. Die „Manuelle Lymphdrainage (= ML)« ist eine spezielle Massageform mit einer besonderen, sehr „weichen und vorsichtigen“ Grifftechnik, welche die Lymphgefäße zur Mehrarbeit anregt und das Ödem in Abflussrichtung verschiebt. Entscheidend ist, dass die ML immer in angrenzenden gesunden Gebieten beginnen muss, denn man will ja die erkrankten Gefäße entlasten und nicht zusätzlich belasten. 

Beispiel:

 Die Behandlung eines Armlymphödems nach Brustkrebsoperation beginnt bei den Achselhöhlenlymphknoten der gesunden gegenüberliegenden Seite. Erst nach der Vorbehandlung der gesunden gegenüberliegenden Brust gelangt man an den dicken Arm, an dem die Behandlung im Schulterbereich beginnt und an den Fingern endet. Mit der ML alleine gelingt allerdings keine erfolgreiche Entstauung! Diese ist nur möglich im Zusammenwirken mit einer gründlichen Hautpflege, einer nach der ML angelegten Kompressionsbandage, die das Zurücklaufen der Flüssigkeit verhindert, sowie entstauenden Bewegungsübungen. 

Die Behandlung
Die Behandlung erfolgt nur durch speziell ausgebildete Therapeutinnen und Therapeuten, die ihr Fachwissen in einem 4-wöchigen Lehrgang mit theoretischer und praktischer Abschlussprüfung erworben haben. 

Die KPE ist eine 2-Phasen-Therapie:
 
Phase l: 

Patienten, die bislang noch nicht wegen ihres Ödems behandelt wurden oder bei denen sich einige Zeit nach erfolgreicher Behandlung wieder eine Verschlechterung des Ödems eingestellt hat, sollten über 2-5 Wochen – je nach Schweregrad des Ödems – täglich behandelt werden. Auch die täglich nach der ML angelegte Kompressionsbandage muss in diesem Zeitraum – und zwar acht Stunden am Stück – ständig getragen werden (»leider« auch am Wochenende und über Nacht). Sollte dies aus privaten oder beruflichen Gründen nicht möglich sein oder ist das Ödem sehr stark ausgeprägt, empfiehlt sich für die Durchführung der Phase l die stationäre Einweisung in eine Fachklinik für Lymphologie. 

Phase II: 

Nach erfolgreicher Verringerung des Ödems (eine vollständige Beseitigung gelingt meist nicht) verordnet der Arzt maßangefertigte Kompressionsstrümpfe, die das Ergebnis »konservieren«. Für Armlymphödeme sind Strümpfe der Kompressionsklassen 2 oder 3 geeignet, für Beinlymphödeme empfehlen sich Strümpfe oder Strumpfhosen mit Klasse 2, 3 oder 4. Die ML muss dann meist nur noch 1- bis 3-mal wöchentlich durchgeführt werden. Um den Arm wirklich „dünn zu halten“, lehrt der Behandler die Durchführung einfacher Entstauungsübungen und informiert über notwendige hautpflegerische Maßnahmen, sowie weitere vorbeugende Maßnahmen. Wird eine Verschlechterung bemerkt, kann für einige Nächte zusätzlich eine Bandage getragen und so der Zustand wieder verbessert werden.

 

Anwendungsbereiche
 
Sekundäre Lymphödeme: 

Am häufigsten sind Lymphödeme, die nach Entfernung von Lymphknoten im Rahmen einer Krebstherapie entfernt werden mussten (Arm-, Bein- und Kopflymphödeme). Aber auch unfallbedingte Verletzungen können zu einem Lymphödem führen.

Primäre Lymphödeme: 

Hier sind die Lymphgefäße von Geburt an erkrankt, das Lymphödem kann aber auch erst viele Jahre später auftreten.

Veneninsuffizienz: 

Das Krankheitsbild entsteht durch defekte Venenklappen, die nicht wiederhergestellt werden können. Wenn „dicke Beine“ in Zusammenhang mit erkrankten Venen (chronisch venöse Insuffizienz) auftreten und auch über Nacht trotz Hochlagerung nicht mehr verschwinden, kann die ML als Ergänzung zur Kompressionstherapie eingesetzt werden.

Weitere Indikationen: 

Aber auch wenn der Arzt/Ärztin ein Lipödem, eine lymphostatische Encephalopathie, ein zyklisch-idiopathisches oder ein posttraumatisches Ödem, eine progressive systemische Sklerodermie, Ödeme bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises oder einen Morbus Sudeck bei Ihnen diagnostiziert hat, kann die ML-KPE als zusätzliche Therapiemaßnahme verordnet werden.